Über 70 % all derer, die eine Kreuzfahrt in der Ostsee buchen, besuchen auf ihrer Kreuzfahrt auch St. Petersburg, erklärte ein Manager des Petersburger Passagierhafens Marina Fassade bei einer Präsentationsveranstaltung der Stadt St. Petersburg am 9. November 2015 in der Russischen Botschaft in Berlin. Dieser Passagierhafen im Westen der Wassiljewinsel 10 km vom Stadtzentrum entfernt wurde 2008 eröffnet. Schon 2009 wurde ihm das Prädikat "Bester Transithafen der Welt" verliehen. Es gibt 7 Anlegeplätze und 4 Passagierschiffplätze für insgesamt 18.000 Gäste gleichzeitig.
Seit 2012 (?) können Ausländer St. Petersburg ohne Visum besuchen, wenn sie über die Ostsee ankommen. Sie müssen aber vorher bei den Petersburger Ausländerbehörden angemeldet werden.
St. Petersburg sollte diese gesetzliche Ausnahme-Regelung mehr Touristen bringen. Das war anfangs ein Pilotprojekt, zum Testen, zum Schätzen des Wirtschaftsvolumens, das wegen Einreisevisa-Regeln verloren geht.
In erster Lesung ist in der Duma (Parlament der Russischen Föderation) im September 2008 ein Gesetz erlassen worden, welches die Befreiung von der Visumpflicht für bis zu 72 Stunden regelt [1]. Bis zum Jahresende sollte das Gesetz vom Föderationsrat bestätigt werden. Bis zum Fertigstellen hat es dann doch noch Jahre gedauert.
Russland strebt schon seit längerem an, dass die Visumbestimmungen mit Westeuropa vereinfacht werden bzw. die Visumpflicht abgeschafft wird. Ich schrieb bereits darüber in der Rubrik Russland-Visum dieses Blogs. In den deutschen Massenmedien war oft irreführend behauptet worden, die russische Führung sei nicht bereit, sich dem Westen zu öffnen. Dieser Formulierung liegt ein hegemoniales Verständnis zugrunde, wonach Russland (wie auch andere souveräne Länder) nicht als ebenbürtig betrachtet werden. Diese Behauptung haben Massenmedien auch in Verbindung mit Berichten zu den Verhandlungen um die Visumvereinfachung gebracht. Dabei ging es um Bedingungen, die von seiten der EU oder einiger ihrer Mitglieder Russland gestellt wurden, die in die Souveränität Russlands eingriffen. Beliebtes Thema war hier: Menschenrechte; tatsächlich zeigt der Westen hier respektlose Dominanzansprüche.
Die Eliten in Westeuropa enthalten der Bevölkerung ihrer Länder eine erleichterte Einreise in den Osten vor. Blockierer sind hier seit Jahren insbesondere die baltischen Länder und Polen. Auch in Deutschland gibt es (schon lange vor 2014) nicht wenige Russland-Gegner, vor allem in den Reihen der CDU und Grünen, darunter Mitglieder von transatlantischen Organisationen. Näheres zum Thema in einem noch zu veröffentlichenen Artikel von mir über Russlandhetze von deutschen Journalisten und Politikern in der Serie über die Ukraine-Krise.
Aber nun zum Kreuzfahrtgeschäft. Westliche Kreuzfahrtunternehmen haben von der russischen Visumbefreiungsregelung für russische Häfen profitiert.
Für Kreuzfahrtgesellschaften und Fährgesellschaften, die russische Häfen ansteuern (wollten), versprach die Einführung dieser 3-Tage-Befreiung ein lukrativeres Tourismusgeschäft mit den ausländischen Reisenden zu werden. Denn damit bekamen Sie die Gelegenheit, mehr Kreuzfahrten zu verkaufen, weil St. Petersburg allgemein als kultur- und geschichtsreiche Stadt, ja für einige auch als eine der schönsten Großstädte der Welt bekannt ist. Und für viele aus Ostdeutschland ist von Interesse, wie sich die Stadt entwickelt hat, seit sie zu Zeiten der DDR mal dort waren und Ostdeutsche hatten Russisch als erste Fremdsprache im Schulunterricht.
Kreuzfahrtgesellschaften, die St. Petersburg anfahren, sind TUI Cruises mit den Mein Schiff-Schiffen, Carnival Cruises (mit den Kreuzfahrtgesellschaften/Marken Costa und Aida Cruises), Phoenix Reisen, Hapag Lloyd Kreuzfahrten (MS Europa), Deilmann (MS Deutschland bis zur Insolvenz), Royal Carribean bis voriges Jahr auch Passat Kreuzfahrten mit der MS Delphin, MSC, NCL.
(Ich hatte schon mal deren Touren nach St. Petersburg und im Schwarzen Meer gesammelt, aber dann 2013 aufgegeben.)
Die Werbung einiger Kreuzfahrtgesellschaften mit der Stadt St. Petersburg für die Ostseekreuzfahrten (und bis 2014 auch Schwarzmeerkreuzfahrten mit Sotschi) ist aber seit Jahren wettbewerbsrechtlich fragwürdig, und zwar in zwei Richtungen:
1) in Richtung auf die Verbraucher (Einengung ihrer Entscheidungsfreiheit) und
2) in Richtung auf die Anbieterseite:
a) Spezialisten des Ausflugsgeschäfts/Incomingunternehmen (in St. Petersburg, Sotschi, Jalta, Sewastopol) und
b) deren Partner in Deutschland, Österreich (und wo sonst die Kreuzfahrturlauber herkommen mögen), also Reiseveranstalter und Reisebüros, die das Reiseprodukt St. Petersburg, Sotschi, Jalta, Sewastopol als Destination vermarkten.
Die erste Gruppe sind Reisende. Mehrere Kreuzfahrtreisende berichteten, was ihnen hinsichtlich Landgänge in St. Petersburg oder Sotschi von Mitarbeitern, die für Kreuzfahrtgesellschaften arbeiten, erklärt worden ist, hinsichtlich der Visumbedingungen und der Befreiung davon. Solche Erlebnisse sind Fälle der Beeinflussung der Wahl des Veranstalters der Exkursionen in St. Petersburg oder Umgebung (Puschkin, Peterhof, Pawlowsk, Oranienbaum) unter Nutzung von erklärten Unwahrheiten oder Halbwahrheiten (durch Unterschlagung von im Zusammenhang mit dem Thema Einreise wesentlichen Informationen).
Die zweite Gruppe sind Mitbewerber im Tourismusmarkt, denen dadurch, dass ihr durch unfaire Beeinflussung der ersten Gruppe potentielle Kunden genommen werden, die sie hätten gewinnen können, Einnahmeausfälle entstehen.
Für einen halbwegs fairen Wettbewerb haben wir in Deutschland das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, kurz UWG. Wichtige Passagen daraus in diesem Zusammenhang:
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§ 3 UWG: Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.
(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.
§ 4a Aggressive geschäftliche Handlungen
(1) Unlauter handelt, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen durch
1. ...,
2. ...,
3. unzulässige Beeinflussung.
Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.
(2) Bei der Feststellung, ob eine geschäftliche Handlung aggressiv im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 ist, ist abzustellen auf
1. Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer der Handlung;
2. die Verwendung drohender oder beleidigender Formulierungen oder Verhaltensweisen;
3. die bewusste Ausnutzung von konkreten Unglückssituationen oder Umständen von solcher Schwere, dass sie das Urteilsvermögen des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers beeinträchtigen, um dessen Entscheidung zu beeinflussen;
4. belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Unternehmer den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einer anderen Ware oder Dienstleistung oder einem anderen Unternehmer zu wechseln;
5. Drohungen mit rechtlich unzulässigen Handlungen.
Zu den Umständen, die nach Nummer 3 zu berücksichtigen sind, zählen insbesondere geistige und körperliche Beeinträchtigungen, das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit, die Leichtgläubigkeit, die Angst und die Zwangslage von Verbrauchern.
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Nicht benachteiligt sind natürlich solche Reisebüros, die diese Kreuzfahrten der großen Kreuzfahrtreederein verkaufen und damit Provisionen verdienen. Nicht benachteiligt sind viele bequeme Kreuzfahrtreisende, die es toll finden, dass für sie alles organisiert wird und kein Problem damit haben, die Ausflüge mit anderen Urlaubern von ihrem Kreuzfahrtschiff zu machen, auch wenn es im Bus erfolgt, sie an Sehenswürdigkeiten wie dem Jekaterinpalast (mit Bernsteinzimmer) lange anstehen müssen und sie nicht immer alles hören können, was die Reiseleiterin sagt ...
Ost Impuls widmet sich in erster Linie den Reisefreunden mit hohen individuellen Ansprüchen, mit Sonderwünschen. Einige Verbraucher, die Kreuzfahrtreisen gekauft hatten, wandten sich in 2013, 2014, 2015, 2016 und auch wieder in 2017 an Ost Impuls mit dem Wunsch, individuelle Exkursionen in St. Petersburg bzw. Sotschi zu erhalten.
Dadurch erfuhr der Autor dieses Beitrags von Handlungen der Kreuzfahrtgesellschaften, die es ihm erschwerten, letztlich (mehr) Kunden für das Tagesausflugsgeschäft in St. Petersburg zu gewinnen, die normalerweise zu ihm kommen würden, weil er in Google zum Teil (neben anderen Anbietern) zum Thema top plaziert ist. Am Wochenende der ITB 2017, am besucheroffenen Tag stand ich in Halle 3.1. am Stand von St. Petersburg. Ich führte so einige Gespräche mit Leuten, oft Paare, die nach St. Petersburg reisen wollten, die schon eine Kreuzfahrt gebucht haben. Mehrmals hörte ich heraus, dass sie inkorrekt informiert waren. Einige dachten, sie bräuchten Visa und weil Visa, auch Auslandskrankenversicherungen. Zu den Voraussetzungen für Visumerteilungen informieren Sie sich gern auf den Seiten des Blogs und natürlich auch der Website des russischen Konsulats in Berlin.
Mindestens diese drei Kreuzfahrtgesellschaften verhielten oder verhalten sich (noch immer) in Bezug auf Exkursionsangebote für St. Petersburg meiner Meinung nach unfair:
Kreuzfahrtgesellschaften, die sich im Kreuzfahrtgeschäft in Bezug auf russische Häfen unfair verhalten
Zu Aida Cruises
Aida ist Teil eines Konzerns, Teil von Costa Crociere S.p.A (siehe Anbieterkennzeichnung des Unternehmens auf https://www.aida.de/kreuzfahrt/impressum.18599.html). Der Unternehmenssitz von Aida Cruises ist in Rostock.
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