Architektonisch interessant ist die Stadt Jelabuga im Nordosten in der Nähe der Millionenstadt Naberejnye Tschelny. Elabuga befindet sich an der Kama, einem Nebenfluss der Wolga. Die Stadt feierte im Jahre 2007 ihr tausendjähriges Bestehen. Sie gehört seit 2006 zu einem der neu bestimmten Fördergebiete Russlands. Es heißt Alabuga. So heißt Elabuga auf tatarisch. In Elabuga gibt es Zulieferer für die Autoindustrie. Das deutsche Unternehmen Knauff ist in diesem Fördergebiet aktiv.
Hier ein Reisebericht (aus meinem Reisetagebuch, in dem ich eigentlich im Präsens schrieb), der schon sehr lange für eine Veröffentlichung bestimmt war. Anlass ihn hervorzuholen ist auch die gerade angeheizte Aktivität mit einem tatarischen Veranstalter, bei dem ich schon mal zu Besuch war.
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Der 4. November 2006 war der tatarische Nationalfeiertag.
Ich bin bei meinem Freund Ildar zu Besuch, auf meiner großen Russlandreise im Herbst, die am 1. Oktober begann.
Um 7.20 Uhr bin ich aufgestanden. Ildar mit seiner Mutter habe ich schon lange sich unterhalten hören. Ich wäre vielleicht früher aufgestanden. Aber die Wanduhr im Wohnzimmer, wo ich schlief, zeigte eine falsche Zeit an, ging über eine halbe Stunde nach.
Also dann gegen Halbacht Frühstück und dann warteten wir auf Ildars Cousin Anatoli mit dem Lada. Dieser Lada ist schon 26 Jahre alt. Anatoli brachte seine Schwester Natascha mit, die ich zwei Tage zuvor schon in der Wohnung von Ildars Tante in einem hellgelben Hausanzug gesehen hatte.
Um 9.30 Uhr fuhren wir nach Nabereschnije Tschelnij los.
Einige Dutzend Kilometer nördlich von Almetjewsk sahen wir erst Reif auf Bäumen auf den Hügeln rechterhand, dann aber auch schon Schnee, ganz dünn, wie Puderzucker über baumlose Hügel gestreut. Ildar fragte: "Aber die Straße ist gut, nicht wahr?" Ich sagte, sie ist okay, aber doch etwas holprig, nicht wirklich eben. Natascha sagte darauf: Ja, weil die Baufirmen für den Bau der Straße nicht genug Geld bekommen, bauen sie eine schlechte Straße. Dann bekommen sie für die Reparatur der Straße weitere Beschäftigung und Geld als Einkommen.
Kurz vor der großen Stadt übernahm Ildar das Steuer. Er ist schon lange nicht mehr Auto gefahren. Der Wagen soff ab. Der erste Gang war kaputt, nicht benutzbar. Mann muss mit dem zweiten anfahren. Beim dritten Versuch klappte es dann mit erheblichem Ruckeln. Anatoli, Natascha und ich schmunzelten und hielten die Luft an. Der Wagen schlenkerte nämlich auch noch von rechts nach links, so dass ich Angst hatte, nachfolgende Autos würden uns rammen. Offensichtlich ist die Lenkung auch reparaturbedürftig, hat zuviel Spiel.
Ich dachte schon, Ildar wollte nur im zweiten Gang so 20 km pro Stunde weiter fahren. Tolik als Beifahrer sagte ihm, dass er die Kupplung treten solle und schaltete den Ganghebel. Auf dem Ganghebel war nicht zu sehen, wo sich welcher Gang befindet.
Ildar fuhr nicht lange, ein paar Kilometer nur. Ich verzichtete von mir aus zu fragen, ob ich mit dem Wagen auch mal fahren durfte. Ich wollte ja heute auch mal wo ankommen, um was Sehenswertes zu sehen. Es gab noch weitere Sachen an diesem Lada, die nicht in Ordnung waren. Die Türen schlossen sehr schlecht. Man musste sie stark zuwuchten. Die Handbremse funktionierte nicht. Und die Windschutzscheibe hat einen Sprung von einem Steinschlag.
Die tatarischen Freunde fuhren mit mir einmal durch die Millionenstadt auf der Hauptstraße entlang, eine vierspurige Magistrale, an der sich die meisten wichtigen Gebäude befinden. Administration - ein graues Gebäude ohne Schmuck, wie auch viele andere Gebäude: Polizeistation (auch unauffälliges graues Haus), Universität, neues Einkaufszentrum (wohl noch nicht eröffnet).
Ein Zentrum wie in deutschen Städten üblich gibt es nicht - das Zentrum ist diese Straße. Ich fragte mich, ja warum also sind wir dann hierher gekommen, wenn es hier nichts für mich zu sehen gibt.
Aus Nabereschnye Tschelni kommt der LKW Kamas. Der wird vom russischen Team auf der Rally Paris - Dakar gefahren und gewann dabei auch schon.
Anatoli kehrt um. Auf meinen Wunsch fahren wir an den Fluss. Ein Hafen befindet sich dort nicht. Aber ein altes Schiff oder besser gesagt auf einem Schubkahnmodul, gebaut aus Holz, das ein Café "Omut" beherbergt, das ich leider nicht von innen sehe.
Tatarischer Nationalfeiertag, aber im Ausflugscafe auf dem Lastkahn am Flussufer ist es still. (4. November 2006)
Wir treffen dort einen Mann in einer Joppe. Dem konnte ich einige Fragen stellen. Ildar übersetzte. Linienschiffe gibt es hier nicht, antwortete er. Es gibt ein Schiff, das Arbeiter zu einem Ort zirka 50 km entfernt bringt. Bis September fahren auch Schiffe mit Touristen. Auch nach Kasan. Hier überwintern diese Schiffe aber nicht. Ein Stück weiter steht ein Schiffswrack mit dem Namen "Nordmeer" im Wasser, mit Antennenmast. Ich vermute, dass kein wirtschaftliches Interesse besteht, das Wrack zur Rückgewinnung von Metall besteht.
Ildar fragte mich hier, ob diese Stadt schöner ist als Almetjewsk, seine Heimatstadt. Ich antworte diplomatisch: Es hängt davon ab, mit welchen Erwartungen ein Ausländer in die Stadt kommt. Ich weiß über diese Stadt ja kaum was, kannte sie vor meiner Reise nach Tatarstan gar nicht. Aber tatsächlich hat Almetjewsk seinen Bewohnern doch einiges zu bieten und deren Stadtarchitekt war sehr engagiert dabei, die Stadt schöner zu gestalten.
Wir fuhren nach Jelabuga. Die Kleinstadt liegt auf der anderen, nördlichen Seite des großen Flusses, zirka 40 Kilometer von Nabereschnije Tschelni entfernt. Angekommen nach einer vielleicht knappen dreiviertel Stunde wollte Anatoli zuerst seine Tante aus einem mehrstöckigen Neubau am Rande der Stadt abholen. Denn sie sollte uns die Stadt zeigen (die Altstadt). Sie war aber nicht zu Hause, sondern in einem Dorf in der Nähe. Aber deren Tochter zog sich um und kam nach fünf Minuten raus. Sie heißt Diana, ist 16 Jahre alt, schlank, hat lange blonde Haare, leicht nach außen stehende Zähne oben, aber sie ist jung und symphatisch. Sie kann aber die Funktion ihrer Mutter als Fremdenführerin nicht übernehmen. Sie weiß nicht viel über die Stadt zu erzählen. Sie sagte, sie wohnt noch nicht lange hier. Die Familie ist hierher gezogen, weil es Arbeit gab. Als ich nachfrage, stellt sich heraus, sie wohnen schon 7 Jahre hier ... Die Stadt wird im August 2007 1000 Jahre alt. Man bereitet die Stadt darauf vor. Viele Gebäude werden gerade außen renoviert. Zum Beispiel das Gebäude der Tatfond-Bank bei der Universität schon eine frische Fassade. Ob auch innen, glaubte ich nicht (Erfahrungen zur 300-Jahr-Feier in St. Petersburg im Mai 2003). Aber ich prüfe es nicht nach. Die Stadt wirkte doch ziemlich verschlafen; verschlossen.
Es ist sehr kalt. Es weht ein starker ätzender Wind. Niemand hat Lust, draußen herumzuspazieren. Das Heimatmuseum, das wir besuchen wollen, hat am heutigen Feiertag geschlossen.
An dem tatarischen Nationalfeiertag blieb das Geschichtsmuseum in Jelabuga geschlossen. (November 2006)
Anatoli fährt uns durch die Straßen.
Besichtigungsfahrt durch die tatarische Stadt Jelabuga an einem kalten Novembertag 2006
Ich sehe viele Holzhäuser, in verschiedenen Farben oder dunkel gebeizt. Ich sehe auch einige Kirchen, doch er fährt vorbei und dann werde ich mehrmals so spät gefragt, ob ich sie fotografieren will. Ich will ihm aber nicht zumuten, noch einmal zurückzufahren. Schade, dass er nicht mehr mitdenkt, dachte ich. - Wir hielten an der Staatlichen Pädagogischen Universität. Die Mädchen und ich gehen zum Haupteingang.
Pädagogische Universität in Jelabuga (November 2006)
Dort steht ein Denkmal von Dmitrij Iwanowitsch Stacheew. Der Gelehrte sitzt auf einem Stuhl, die Beine übereinander geschlagen und hält in der Hand auf seinem Knie ein Buch. Der Stuhl steht auf einem Podest. Ildars Tante hätte vermutlich was zur Universtität und Stacheew erzählen können. Hier wird er vorgestellt, mit einem Bild von dem Denkmal und dahinter der Haupteingang (russischer Text). Er war ein bedeutender Literat, schrieb Novellen und Gedichte, arbeitete für Literaturzeitschriften in St. Petersburg. Er war auch in Westeuropa als Tourist unterwegs, schrieb wohl auch über diese Rolle. In den letzten beiden Jahrzehnten seines Lebens lebte er auf der Krim, in Aluschta. Wer also mal bewusst nach Tatarstan reist, sucht sich vielleicht was zu lesen von Stacheew. Die deutsche Wikipedia hat nichts über ihn, aber die englischsprachige.
[Nachträgliche Ergänzung: Erwähnen sollte ich an dieser Stelle noch das Hausmuseum von Nadeschda Andreewna Durowa, an dem wir vorbeigingen, ein Holzhaus mit Holzschnitzverzierungen an den Fenstern. Die Dame war eine Heldin des Krieges im Jahre 1812 und eine Schriftstellerin. Dieses Haus ist erst umfangreich 2005 renoviert worden. Um die 30.000 Besucher bekommt das Museum heutzutage jährlich. Führungen gibt es in tatarisch, russisch, englisch und sogar deutsch. Vor ein paar Jahren war auch mal eine Mitarbeiterin des Museums auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin vertreten. Ich sprach mit ihr und sie hatte mir danach eine ausgearbeitete schöne Kulturreise für Tatarstan zugesandt, die natürlich auch nach Jelabuga führte.
Mit der Stadt sind aber noch weitere Namen bedeutender Persönlichkeiten verknüpft wie der Künstler Iwan Schischkin, Held des 2. Weltkrieges Leonid Goworow, Schriftstellerin/Dichterin Marina Zwetajewa, Psychologe und Psychator Wladimir Bechterew - Museum wurde 2017 in Jelabuga anlässlich der 1000-Jahr-Feierlichkeiten eröffnet. Wäre das [...Next]